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Mutter und Tochter: In Modefragen auf Tuchfühlung

September Jiang 北京德国文化中心歌德学院
2024-09-02

Li Yang als Kind | © Privat


Laut dem amerikanischen Soziologen Lewis Samuel Feuer liegt es in der Natur der Sache, dass in der Mode ein „Ungleichgewicht zwischen den Generationen“ herrscht, insbesondere wenn es um Menschen geht, für die Mode eine große Rolle spielt.    


Wie zum Beispiel für gewisse Mädchen: Innerhalb weniger Jahre werden sie von unbedarften Kindern zu jungen Frauen. Sie finden ihren Platz in der Gesellschaft und werden schließlich zu Ladys in der High Society. Die Veränderungen ihres Körpers und ihrer Rolle sowie auch der Einfluss der Gleichaltrigen in der Schule bewirken bei Mädchen, dass sie besonderen Wert auf ihr Äußeres und ihr Auftreten legen. Mit der Mode zu gehen, heißt nämlich nicht nur, dass man wie die anderen sein möchte, es bedeutet auch, auf sich aufmerksam zu machen. Für weibliche Teenies ist Mode ein inneres Bedürfnis, ihr liegt eine Art rebellischer Geist zugrunde, sich von der Generation der eigenen Mütter zu unterscheiden.


Love Education | © imdb.com


Das erinnert mich an den Film Love Education (相爱相亲) der taiwanischen Regisseurin Sylvia Chang (张艾嘉), der im letzten Jahr von den Liebesgeschichten dreier Frauen unterschiedlichen Alters erzählte. Auch wenn es in dem Film nicht um Mode geht, wird daran, wie die drei mit ihren Gefühlen umgehen, sichtbar, dass sich Frauen unterschiedlicher Altersstufen anders verhalten. Man könnte fast meinen, Konfuzius hatte Recht mit seinem Satz: „Mit Frauen und Untergebenen kommt man schwer zurecht“. Frauen sind tatsächlich die undurchschaubarsten Wesen der Welt. Doch ganz im Ernst: Eines der harmonischsten Mutter-Tochter-Verhältnisse, die ich je erlebt habe, ist das von Frau Chen (陈) und ihrer Tochter Li Yang (李阳). Die beiden stehen sich nicht nur emotional sehr nahe, durch die Branche, in der Li Yang tätig ist, haben sich Mutter und Tochter auch in Modefragen angenähert, einem Thema, bei dem Lewis den Generationskonflikt schon vorprogrammiert sah.


Li Yang | © Privat


Modeskizze von Li Yang | © Privat


Mit ihrem Job als Styling Manager von Louis Vuitton lässt Li Yang modebesessene junge Mädchen vor Neid erblassen. Li Yang sitzt bei den großen chinesischen und internationalen Fashion Weeks Jahr für Jahr in der ersten Reihe, sie trägt die neusten Designkreationen der Saison und setzt Trends beim Look von Stars und VIP-Kunden, angefangen bei den Klamotten bis hin zum Styling. Li Yangs Freunde bringen es mit einem Satz auf den Punkt: „Eine Frau, bei der, nur weil sie schöne Kleider trägt, jede Minute die Kasse klingelt“. Aber Li Yang erinnert sich auch an andere Zeiten. Als sie die Unterstufe der Mittelschule besuchte, wurde sie vom Ordnungshüter der Schule aufgrund ihrer „zu ausgefallenen“ Kleidung zur Strafe in die Ecke gestellt und man zitierte ihre Eltern für ein ernstes Wort in die Schule. „Meine Eltern hatten, was meinen Aufzug und alle meine Entscheidungen betraf, immer eine äußerst liberale und großzügige Haltung. Auch aus dieser Sache (das in der Ecke Stehen und die Vorladung der Eltern) wurde daheim kein großes Theater gemacht. Hätten meine Eltern nicht so hinter mir gestanden, wer weiß, womöglich wäre meine Begeisterung für Mode da schon wieder erloschen.“


Li Yang als Kind | © Foto aus Privatbesitz


Auch Li Yangs Mutter, Frau Chen, zieht die neidischen Blicke ihrer Altersgenossen auf sich: Bei Klassentreffen trägt sie stets elegante Kleider, die sie jünger erscheinen lassen als sie ist. „Du stellst die anderen in den Schatten“ meint ihre Tochter dazu. Frau Chen reist viel und hat, seitdem sie in Rente ist, Kurse in Psychologie belegt. Aber Frau Chen war nicht immer so modebewusst: Bevor ihre Tochter in der Modebranche anfing, bestand Frau Chens Garderobe vor allem aus der traditionellen chinesischen Einheitskluft in gedeckten Farben.
 
Frau Chens Jugend fiel in die siebziger Jahre. Damals war „sich schick machen“ ein Ausdruck, den man nur hinter vorgehaltener Hand verwendete, wenn beste Freundinnen unter sich waren. Die Schnitte und Farben, die Frau Chen trug, unterschieden sich nicht groß von dem, wie sich ihre Mutter kleidete. Dasselbe Blau, Grau, Schwarz, Weiß, Braun und Militärgrün. Das Wort „Mode“ existierte damals im chinesischen Wortschatz nicht. Etwas galt schon als „schick“, wenn es nur einigermaßen passte, denn viele Mädchen mussten die abgelegten Kleider ihrer Mutter oder älteren Schwestern auftragen. Ende der Siebziger setzte die Reform- und Öffnungspolitik ein. Auf den Straßen sah man nun vereinzelt Passanten mit Schlaghosen oder Kleidern, die anders waren als das, was man kannte, und die in den Zeitungen als „exotische Aufmachung“ bezeichnet wurden. Auch Frau Chen, damals noch ein Teenager, wurde neugierig. Allerding hätte sie es nie gewagt, so etwas selbst zu tragen und ihre Eltern hätten ihr es das auch strikt verboten. Unter der Reform- und Öffnungspolitik wurden die Märkte durchlässiger und die brandaktuelle Mode fand aus den Küstenstädten schnell ihren Weg ins Binnenland. Auch in den Kreisen, in denen sich Frau Chen bewegte, veränderten sich Schnitte und Farben allmählich. „Ich kann mich noch erinnern, dass wir damals an Feiertagen alle unsere Lieblingsklamotten einpackten. Wir trafen uns an einem Ort, um uns gegenseitig in allen möglichen Outfits zu fotografieren. Das war damals unsere Lieblingsbeschäftigung.“

„Es lag an meiner Arbeit, aber auch an meinem Charakter, dass ich in meinem Kleidungsstil eher traditionell und konservativ bin. ‚Dreißig Jahre, ein System’, sagt meine Tochter immer in Anspielung auf die Situation in Hongkong oder ‚alles das gleiche Gewächs in deinem Kleiderschrank’. Wenn ich mir selbst etwas kaufe, schaue ich vor allem auf die Marke, ich bleibe den mir vertrauten Traditionsmarken treu; an zweiter Stelle steht die Qualität, mir ist Bequemlichkeit wichtig und wie sich der Stoff anfühlt. Auf die angesagte Trends lege ich keinen großen Wert. Etwas muss mir gefallen und zu meinem Stil passen, dann spielt es für mich keine Rolle, ob etwas modern oder altmodisch ist.“


Es liegt an ihrem Job, dass Frau Chens Garderobe in den letzten zwei Jahren zu siebzig Prozent auf das Konto von Li Yang geht. Frau Chen ist angesichts der Bemühungen ihrer Tochter um ihren Look voll des Lobes: „Vor allem in den letzten zwei Jahren sind ihre Farbkombinationen bemerkenswert. Und da sie stets befürchtet, es könnte mir nicht gefallen, holt sie meistens meine Meinung ein, bevor sie etwas kauft. Ab und zu versucht sie mich zu etwas Neuem zu überreden, aber am Ende kapituliert sie jedes Mal mit einem Seufzer: ‚Ihr Mütter der alten Generation gehört echt zu den schwierigsten Kundinnen in meinem Job’. Mit den Schuhen, die sie für mich aussucht, bin ich aber fast zu hundert Prozent zufrieden.“


Frau Chen als junge Frau | © Privat


Wenn sie nicht arbeitet, gehört es zu Li Yangs Lieblingsbeschäftigungen ihre Eltern auszustaffieren. „Für die Ausstattung meiner Eltern trage ich mittlerweile die Hauptverantwortung. Ich liebe es außerdem meine Eltern beim Shoppen zu begleiten. Wenn mein Vater sich mit Freunden zum Essen trifft und ein Lob wegen seines schicken Aufzugs bekommt, erzählt er stolz, dass seine Tochter das für ihn ausgesucht hat. Meine Mutter war früher kein Mensch, der besonderen Wert auf Kleidung und Aussehen gelegt hätte, aber in den letzten Jahren ist ihr ihre Erscheinung durch meinen Einfluss allmählich wichtiger geworden. Ich empfinde das als eine positive Veränderung. Inzwischen achtet meine Mutter doch sehr auf ihr Dress und wagt sich auch an Stile heran, die sie früher nie ausprobiert hätte. ‚Ach, so etwas kann ich doch als sechzigjährige Oma unmöglich tragen’, wiederholt sie dann immer gebetsmühlenartig, während sie sich zufrieden in den neuen Klamotten bewundert. Es macht ihr einfach Freude, wenn sie sich mit ihrem Freundeskreis trifft und ihr jeder sagt, wie gut sie aussieht.“


Es heißt immer, im Kleiderschrank einer Frau gäbe es immer ein Teil zu wenig. Wenn sich Li Yang und ihre Mutter bei diesem für Frauen so eklatant wichtigen Thema so gut verstehen, geht es dabei aber nicht nur um Mode, sondern auch um Liebe und Respekt. Ich erinnere mich an eine Anekdote, die mir Frau Chen erzählte, als sie von der Zeit sprach, als Li Yang gerade angefangen hatte Modedesign zu studieren: „Für unsere Familie war ‚Modedesign’ damals noch ein Fremdwort. Nur Li Yangs über achtzigjährige Oma war voll ehrlicher Bewunderung für ihre Enkelin. Sie holte ein Kleid aus den dreißiger Jahren, das sie über ein halbes Jahrhundert in einer Truhe aufbewahrt hatte, aus seinem Versteck und übergab es feierlich an ihre Enkelin.“
 
Li Yangs Großmutter war offensichtlich ihrer Zeit voraus.


Autorin: September Jiang (姜九月) ist Redakteurin und freie Kuratorin. Früher arbeitete sie für den Pekinger Kunstraum Long March Space (长征空间) und das Magazin Surface. 2010 wechselte sie zur chinesischen Kunstzeitschrift Art and Design (艺术与设计), wo sie heute als leitende Redakteurin tätig ist.
Übersetzung: Julia Buddeberg (aus dem Chinesischen)
Copyright: Dieser Text wurde vom Goethe-Institut China unter der Lizenz Creative Commons BY-SA 3.0 DE veröffentlicht.




Dokumentarfilmreihe „Reframing the Real“-

Filmvorführung und Diskussion:

Generationen

© The River of Life


Kennst du deine Familiengeschichte? Wie gehst du mit den Beziehungen zwischen verschiedenen Generationen um? Wie kann man zwischen Verantwortlichkeiten und Pflichten unterscheiden? Wie gehst du mit Konflikten um? Und wie mit Isolation? Kann in einer Familie alles vergeben werden? Wie gelingt der Übergang in die späte Lebensphase? Was können Familienmitglieder eigentlich wirklich tun?

In Kooperation mit DOK Leipzig und Pure Movies veranstaltet das Goethe-Institut China vom 27. bis 29. September 2019 eine Reihe von Dokumentarfilmvorführungen und Diskussionen mit dem Titel „Reframing the Real: Generationen“. Acht internationale Dokumentarfilme beschäftigen sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit Fragen der Familie und der Beziehung zwischen den Generationen. Mehr


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